Walter Orlov
Mikhailov, Lichtablenkung

"Der erste erfolgreiche Versuch, die gravitationsbedingte Lichtablenkung zu messen, fiel in das Jahr 1919... Die Auswertung zeigte, dass das Sternenlicht tatsächlich abgelenkt worden war, und zwar in einem Maße, die mit den Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie, nicht aber mit den auf der Newtonschen Physik basierenden Rechnungen vereinbar war. Dieses Ergebnis erregte großes Aufsehen, machte Einstein über Nacht weltbekannt und führte dazu, dass er der bislang einzige Wissenschaftler ist, für den jemals eine Konfetti-Parade ("ticker-tape parade") auf dem New Yorker Broadway abgehalten wurde." einstein-online: Lichtablenkung

In der Abhandlung "Über die Ablenkung des Lichtes im Schwere­feld der Sonne" präsentierten die Autoren, Freundlich, Klüber und Brunn in 1931 Jahre grafisch die Ergebnisse der drei Expeditionen, die 1919, 1922 und 1929 stattgefunden hatten. Sie fügten alle Messungen zusammen, sodass sich daraus eine umfangreiche Dar­stellung mit 99 Messpunkten ergab (Abbildung).

Für die Autoren ist die Relativitätstheorie eindeutig durchgefal­len: "Man sieht ganz unverkennbar, daß die theoretische (untere) Hyperbel von den Werten nicht dargestellt wird." Deshalb zeich­nen sie noch die obere Hyperbel für die Lichtablenkung am Son­nenrand von 2.24". Theoretisch begründeten sie diesen Wert nicht. Später wurden aber noch andere Zusammenhänge vermutet. Vor allem ist es die Gerbers Hyper­bel mit dem Zähler 2.62" (Roseveare, N. T: Mercury's perihelion from Leverrier to Einstein. Oxford: University Press 1982). Dann können noch die empirischen Formeln von Schmeidler (1985) und Courvoisier (1932) überprüft werden usw. Die hohe Qualität der Abbildung erlaubt die Koordinaten der Messpunkte präzise zu bestimmen in ein Kalkulationsprogramm einzutragen. So ergibt sich ein folgendes Diagramm:

Visuell passen alle Kurven, vielleicht nur mit der Ausnahme von klassischer (übrigens errechnete Einstein mithilfe des Äquivalenzprinzips zuerst klassischen Wert von Soldner, siehe hier), einigermaßen gut zu den stark verstreuten Messpunkten. Welche aus ihnen ist aber besser? Um das herauszufinden, berechnet man üblicherweise die Summe quadratischer Abweichungen. Je kleiner ist sie, desto besser gibt die testende Funktion die Messdaten wieder. Die Ergebnisse sind in nächster Tabelle präsentiert. ("Einstein+" ist meine Approximation.)

Platzierung Autor Abhängigkeit Typ Summe quadratischer Abweichungen
1. Freundlich 2.24"/r empirisch 2.5776
2. "Einstein+" 1.75"/r + 0.1" empirisch 2.5789
3. Schmeidler 1.75"/r + 0.3"/r2 empirisch 3.1919
4. Eine Gerade -0.07"r + 0.9" empirisch 3.3288
5. Gerber 2.63"/r theoretisch 3.4613
6. Courvoiser 1.55"/r + 0.22" empirisch 3.4710
7. Einstein 1.75"/r theoretisch 3.4883
8. Soldner 0.87"/r theoretisch 10.923

Was sehen wir:

Selbstverständlich können die Anhänger der Relativitätstheorie erwidern: Das war damals, jetzt ist es aber alles genau zu Gunsten der Allgemeinen Relativitätstheorie gemessen. Dann schauen wir – wie. 

Wenn heutige Forschungsberichte faktisch undurchschaubar sind, stolperte ich über eine Arbeit aus dem Jahr 1932: Robert J. Trümpler. Die Ablenkung des Lichtes im Schwerefeld der Sonne. Zeitschrift für Astrophysik, Vol. 4, p.208, 1932

"Die Potsdamer Expedition zur Beobachtung der  Finsternis vom 9. Mai 1929 hat kürzlich die Beobachtungsresultate der 8,5m-Horizontal-Doppelkamera bezüglich der Lichtablenkung im Schwerefeld der Sonne publiziert. Nach Berechnung der Autoren Freundlich, von Klüber und von Brunn ergeben diese Beobachtungen für die Lichtablenkung E am Sonnenrand den Betrag E = 2",24 ± 0",10 (m. F.), der wesentlich größer ist als der aus der allgemeinen Relativitätstheorie  folgende  Wert  1",75.  Dieses  Resultat  widerspricht nicht nur der Theorie, sondern  auch den an der Finsternis von 1922  gemachten  Beobachtungen.  Es  erscheint  daher  notwendig, seine Ableitung einer sorgfältigen kritischen Prüfung zu unterziehen."

Und nach einigen Manipulationen der Daten steht für Trümpler fest: 

"Lichtablenkung am Sonnenrande E = 1",75 ± 0",19 (m. F.) Dieses Resultat ist mit der allgemeinen Relativitätstheorie völlig im Anklang und bestätigt die an den Finsternissen von 1919 und 1922 gemachten Beobachtungen. Der mittlere Fehler ist zwar durch die Hinzufügung einer neuen Unbekannten etwas angewachsen , erscheint aber in Anbetracht der unsymmetrischen Verteilung der Sterne und der vielen aus den Beobachtungen zu bestimmenden Instrumentalkonstanten  recht befriedigend.  Jedenfalls  verdient das Resultat neben den bisherigen Beobachtungen dieses Effektes einiges Gewicht."

Wir sehen also, dass schon damals die Beobachtungsresultate dann "einiges Gewicht" bekamen, wenn sie den Vorhersagen Allgemeiner Relativitätstheorie genau entsprachen. Und wenn es nicht der Fall war, wurden die Daten so geschickt präpariert,  dass  am  Ende  jedoch  gewünschte  Übereinstimmung herauskam. 

Trümpler erwähnte die Beobachtungsresultate der Sonnenfinsternis von 1922. Er nahm selbst an dieser Expedition teil. Zusammen mit Kampbell berechnete er 1.74". Anscheinend hätte er seine zweifelhafte Methode schon damals ausprobiert, denn 1956 bearbeitete Mikhailov die Daten von derselben Expedition neu und gelang zu 2.05".

Herr Trümpler hat heute einen Nachahner, den Herren Bruns: Amateur gelingt beste Messung des Einstein-Effekts. Der Mann hat offensichtlich geschummelt. Einem Pixel bei ihm entsprach 2", was größer als erwarteter Effekt von 1.75" ist. Doch er hat dank von ihm ausgewählter Software die Genauigkeit von 0.05% erzielt. Für moderne, von den Leistungscomputern unterstützte  Astronomie dürfte dies kein großes Problem sein. Aber im Falle Bruns gibt es eine Nuance: Er hat den Bereich um die Sonne herum kleiner als 5 Sonnenradien beobachtet. Laut Schmeidler (siehe weiter) sollte er für diesen Bereich eigentlich 2.05" bekommen... Doch er hat mit seiner schlauen Software genau die Zahl als Ergebnis seiner Beobachtung berechnet, und zwar 1.752", die zum theoretischen Wert von 1.751" sehr nah liegt. 

1985 systematisierte Schmeidler die Resultate mehrerer Beobach­tungen und schlug seine empirische Formel für die Lichtablen­kung an der Sonne vor (genau am Sonnenrand ergeben sich 2.05"):

Er legte die Grenze von 5 Sonnenradien fest. Unter dieser Grenze wird Allgemeine Relativitätstheorie eindeutig verletzt. Die Anomalie nah an der Sonne könnte intuitiv durch die Lichtbrechung in der Sonnenkorona verstanden werden. Doch die Sonnenkorona in die Sache hineinzuziehen, hat Folgen, denn dadurch kann der ganze relativistische Zusatz zum klassischen Wert von 0.87" erklärt werden. 

Schmeidler hat einen "guten" Typ gegeben. Zwar begannen die Wissenschaftler in den Regionen weit von der Sonne entfernt zu messen und bekamen anscheinend ganz gute Übereinstimmung mit Allgemeiner Relativitätstheorie.

"Mit dem ESA Satelliten Hipparcos wurden zwischen 1989 und 1993 die Positionen von etwa 100 000 Sternen jeweils etwa 100 Mal vermessen. Dabei variierte der Winkel zur Sonne zwischen 47° und 133°. Die gemessenen Sternenpositionen stimmen nach Berücksichtigung der Bewegung der Sonne, der Sterne, der Erde und des Satelliten mit gravitativer Lichtablenkung durch die Sonne, wie sie die Allgemeine Relativitätstheorie vorhersagt, innerhalb der Meßgenauigkeit von 0.3% überein." Norbert Dragon. Geometrie der Relativitätstheorie

Aber: Dem Sonnenradius entspricht 16′ = 0.27°. Dem Blickwinkel von 47° entsprechen also grob 47°/0.27° = 176 Sonnenradien und 176 >> 5. – Man schaut buchstäblich weg und freut sich über eine angeblich experimentelle Bestätigung Allgemeiner Relativitätstheorie. In Wirklichkeit haben wir hier sogar mit einer doppelten Unterschiebung zu tun. Die Raumkrümmung wird nicht bestätigt, sondern  berücksichtigt:

"Vor Hipparcos waren relativistische Effekte in der optischen Astrometrie nicht von Bedeutung. Hipparcos musste die Lichtablenkung an der Sonne berücksichtigen (nur die Sonne!) und die Lorentz-Transformation richtig machen. Hipparcos konnte deshalb das sogenannte isotropic coordinate system benutzen, das eine auf die Sonne zentrierte, sphärisch symmetrische Metrik beschreibt, und in dem der Lichtweg eines Photons im Sonnensystem eine Hyperbel ist." Ulrich Bastian. Die Vermessung der Milchstraße: Hipparcos, Gaia, SIM

Ob auch bei anderen Experimenten zur "Bestätigung" keine Unterschiebung vorliegt, kann man anzweifeln. Wie Herren Trümpler und Bruns gezeigt haben, können stark gestörte Beobachtungsresultate (Abbildung unten rechts) so geschickt bearbeitet werden, dass sie zur theoretischen Vorhersage (Abbildung unten links) schon immer passen werden.

 

Bild-Quelle

 

Noch ein paar Worte zur Schmeidlers Abhängigkeit. Sein zusätzlicher Term ist von zweiter Ordnung, obwohl es auch nach seiner Aussage schon um größere Ordnungen handeln könnte. Eine konkrete Formel hat er aber nur für zweite Ordnung vorgeschlagen. Das kann darauf hindeuten, das er von der Wirkung der Sonnenkorone ausging. Deren Dichte könnte rein grob intuitiv ungefähr mit ~ 1/r2 abfallen und dementsprechend größere Stärke der Ablenkung der Lichtstrahlen. Diese Annahme verbirgt aber folgende Gefahr: Genauso kann ein zusätzlicher Term zur klassischen Formel empirisch gefunden werden. Wer weiß den schon, wie strak und wie weit die Sonnenkorone wirklich auf die Lichtablenkung auswirken kann.

Von anderer Seite lauert aber noch größere Gefahr: Wenn die Sonnenkorone mit der Sache gar nichts zu tun hat, dann gelte allgemeine Relativitätsteorie nur für relativ schwachere Gravitationsfelder bis zur Merkurbahn vielleicht. Richtig nah an der Sonne versagt sie schon. Und somit ist mathematische Darstellung von Schwarzen Löchern, Gravitationswellen usw., wo es sich um wirklich starke Gravitationsfelder handelt, nicht von Bedeutung.

 

 

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